Presseberichte
Aus der "Welt", 26. 04. 2008, von Stefan Anker
Ganz viel La Paloma
Die Band Hafennacht spielt Lieder über die Seefahrt und das Meer – voller Gefühl, ohne Kitsch
Man sieht sich, vielleicht kommst du zurück. Ich wink dir zu, und ich wünsch dir viel Glück. Dann bist du weg, und ich steh noch am Kai, und mein Kopf wird wieder frei.
Zuerst bemerkt man nur das Akkordeon. Es ist kein Tango, also muss es Volksmusik sein. Aber dann ist es cool, wieso ist ein Akkordeon cool? Heiko Quistorf lacht. Er ist ein XXL-Typ, spricht bedächtig, und bringt die Musik der Hamburger Band Hafennacht in einem Satz auf den Punkt: "Wir machen kein Halligalli."
Halligalli, das kann man für süddeutsche Ohren mit Tschingderassabumm übersetzen. Hafennacht holen maritime Musik aus der Schunkelecke heraus und interpretieren sie schnörkellos, nur mit Stimme, Gitarre und Akkordeon. Wer die Hafennacht-Version des Hans-Albers-Klassikers "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" hört, erkennt das Lied wirklich erst am Refrain. Einfach, weil es nicht wie ein Gassenhauer gespielt wird, sondern wie ein Chanson.
Die dreiköpfige Band, alle Anfang 40, hat sich vor gut vier Jahren gefunden. Sie wartet noch auf den Durchbruch, was jeden wundert, der die beiden CDs kennt oder die Musiker schon live gehört hat. Im Gästebuch der Internetseite (www. hafennacht-ev.de) gibt es ausschließlich warmherzige Kommentare. "Ich habe euch gehört, und mir war sofort klar: Das ist für mich die Stimme der Küste." - "Hätte nie gedacht, dass mir diese Art von Musik mal irgendwann gefallen würde, aber ihr habt's geschafft."
In diesem Stil geht es, besonders seit Hafennacht die Musik zu zwei ARD-Sendungen beigetragen haben. Die Filme, einer heißt "Verliebt in eine Robbe", waren nicht gerade Anwärter für den Grimme-Preis, aber offensichtlich haben viele Menschen bis zum Abspann durchgehalten, um zu erfahren, von wem denn die Musik war.
"Unser Server war kurzzeitig überlastet", erzählt Sängerin Uschi Wittich, der das Projekt besonders am Herzen liegt. Sie sucht die Lieder aus, die die Band neu interpretiert oder "aus dem Wasser zieht", wie sie sagt. Neben volkstümlichen Seemannsliedern wie "La Paloma" sind das auch Stücke von Jacques Brel, Rio Reiser oder Element of Crime. Außerdem schreibt Uschi Wittich die Texte für die eigenen Lieder der Band. Und wie es sich für "Lieder vom Wasser", so der Titel der ersten CD, gehört, schwingen Sehnsucht und Traurigkeit mit.
"Seemannsmusik ist immer so auf lustig gemacht, das entspricht aber nicht dem wirklichen Seemannsleben", sagt Uschi Wittich. Also singt sie vom Abschiednehmen, übers Warten und über die verdammte Flaute, die manchmal ein Sinnbild ist fürs Leben:
Gitarrist Erk Braren ("Wir sind doch alle melancholisch") liebt besonders die Auftritte in der Flussschifferkirche, die auf einem alten Frachtschiff im Hamburger Hafen untergebracht ist. "Wenn wir da spielen, dann tropft es von der Decke: Tränen, Kummer." Und Heiko Quistorf, der Mann am Akkordeon, ergänzt: "Bei uns im Programm sterben auch viele Seeleute, das ist auch wichtig."
Wer gern mal in Schwermut badet, wird bei Hafennacht belohnt mit fein arrangierter Musik, mit leisen Tönen und vielen Nuancen. Dass das nicht jedermanns Sache ist, haben die Musiker auch schon erfahren. Einmal sollten sie für eine Veranstaltung der Deutschen Bahn gebucht werden. "Die Sekretärin, die uns anrief, sagte allerdings gleich, dass sie uns nicht mag und uns ihrem Chef ausreden will", erzählt Uschi Wittich.
Am Ende haben die Gäste der Bahn tatsächlich andere Musik zu hören bekommen, was die Hafennacht-Künstler aber nicht lange gegrämt hat. Denn was sie für ihre Kunst brauchen, ist Aufmerksamkeit. Nicht so wie bei dem grausamen Auftritt auf dem Kongress der Bühnentechniker. "Die Bühne war so groß, da hätten auch die Stones spielen können", sagt Erk Braren. "Aber es hat keinen interessiert, die haben sich alle über die Technik und die nächsten Aufträge unterhalten." So etwas nennt man in Musikerkreisen bezahlte Probe. Und es sind die Anekdoten, die man später, nach der ersten Goldenen Schallplatte, gut erzählen kann.
Bis dahin ist es noch ein gutes Stück zu spielen. Uschi Wittich sagt: "Wir werden immer ein begeistertes, aber kleines Publikum haben." Zu dem zählen, das zeigen die Reaktionen, viele Seeleute und Wassersportler. Die drei Musiker selbst sind dagegen eher unregelmäßig auf dem Wasser. Uschi Wittich wird schnell seekrank, Heiko Quistorf mag eigentlich nur Kreuzfahrtschiffe. Dort ist er mit anderen Bands auch schon aufgetreten.
So muss Erk Braren als einziger Bootseigner die Ehre retten. Seine "Renate" ist ein Ruderboot mit 9,6-PS-Außenborder. Da kann man natürlich melancholisch werden.
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